Reflexion 2004

Pädagogische Grundsätze




MOKI – Klasse   Am Mirker Bach


Arbeitsweise, Materialien, pädagogische Grundsätze und Reflektionen des ersten Jahres


Ralf Orthey 2004


Die Moki – Klasse wurde im Schuljahr 2003/04 eingerichtet. Sie bestand aus Kindern der Schuljahre eins bis drei. Mit der Einschulung von sieben Erstklässlern in die Moki - Klasse im Schuljahr 2004/05 ist eine vollständige Mischung aller vier Schuljahrgänge erreicht.
Die Klasse wird in Anlehnung an die pädagogischen Prinzipien Maria Motessoris geführt. Das bedeutet, dass die dominierende Arbeitsweise in dieser Klasse die „Freiarbeit“ in der „vorbereiteten Umgebung“ ist. Bei der Einrichtung des Klassenraumes und bei der Anschaffung klassischer Montessorimaterialien erhielt die Schule massive finanzielle Unterstützung durch die Montessorivereinigung Wuppertal.    

Das Montessoriprinzip der Wahlfreiheit erfährt eine Einschränkung durch die Arbeit mit Wochenplänen für jedes Kind. Diese Wochenpläne gibt es auf vier verschiedenen Niveaus, entsprechend der vertretenen Schuljahre. Die Pläne erhalten drei Aufgabentypen:
  Aufgaben, die für alle Kinder einer Klassenstufe verbindlich sind.
Aufgaben, die nur einzelnen Kindern gestellt werden. (Diese noch stärkere Individualisierung wurde erst im Schuljahr 2004/05 in das Konzept mit aufgenommen).
Aufgaben, die sich jedes Kind selbst wählen kann. Welche Aufgaben dann bearbeitet wurden, muss in die Leerfelder des Wochenplanes eingetragen werden.

Die Pläne werden montags an die Kinder verteilt und müssen i.d.R. bis freitags bearbeitet worden sein. Kinder und Eltern erhalten über gelungene, vollständige Bearbeitung eine schriftliche Mitteilung, die von den Eltern  unterschrieben werden muss.

Inhaltlich handelt es sich dabei um Aufgaben aus den Bereichen Sprache, Mathematik, Sachunterricht, „Übungen des täglichen Lebens“ und praktischen Aufgaben.
Manche Aufgaben können sowohl zu Hause, als auch in der Schule bearbeitet,  andere können wegen des Materials nur in der Schule bearbeitet werden.

    
Für das Material in der Klasse gilt der Satz: „Jedes Ding hat seinen Platz und ist an seinem Platz.“ Sollten Kinder in der gegebenen Zeit mit einer Aufgabe, die einem bestimmten Material/Spiel zugeordnet ist, nicht fertig geworden sein, können sie dieses auf eines der vorhandenen Tabletts deponieren und es mit einem Klebezettel versehen,  auf dem Name und Datum steht. Auf diese Weise ist das Material für einen weiteren Tag reserviert. Nach „Verfallsdatum“ muss das Spiel/Material zurückgeräumt werden.
Für den Zugriff auf das Material gilt: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Jedes Kind kann entscheiden, ob es seine Aufgabe, sein Spiel alleine oder mit Partnern bearbeiten will. Seine Entscheidung gilt.

Während der Freiarbeitsphasen können die Kinder sich frei im Klassenraum bewegen, sie werden sogar ausdrücklich dazu ermuntert. Wichtig dabei ist, dass alle Objekte wieder an ihren Platz zurück gebracht werden und dass keine anderen Kinder gestört werden.
Als mögliche Arbeitsplätze gibt es Gruppentische, eine Leseecke, Arbeitstische an den Rändern des Raumes, die Tafel, den Fußboden und zwei PCs.

Verstehen und Einsicht braucht Stille. Zentraler und unabdingbarer Bestandteil der Freiarbeit ist die Arbeitsruhe.
Sie wird in der Klasse symbolisiert durch die „Flüsterfahne“.

Die dominierende Lehreraktivität in Freiarbeitsphasen besteht i.d.R. aus „Einzellektionen“ oder Unterweisungen von Kleingruppen. Für die Kinder gilt, dass der Lehrer immer nur dem Kind/den Kindern zur Verfügung steht, an dessen/deren Tisch er sich gerade aufhält. Wenn andere Kinder die Hilfe oder die Aufmerksamkeit des Lehrers benötigen, dürfen sie ihn im Gespräch mit anderen Kindern nicht unterbrechen, sondern müssen warten. Die Geduld, die den Kindern in diesen Momenten abverlangt wird, gehört zu schwierigsten Aufgaben, die die Kinder in dieser Klasse lernen müssen.

Im Verlaufe des ersten Jahres sah sich der Klassenlehrer regelmäßig vor die Versuchung gestellt, aus Gründen vermeintlicher Effizienz „Einzellektionen“ auf „Gruppenlektionen“ auszuweiten. In den meisten Fällen und insbesondere bei den jüngeren Kindern hat sich diese Entscheidung als falsch erwiesen. Allein bei den ältesten Kindern der Klasse, die den Lehrer noch als den Klassenlehrer ihrer Jahrgangsklasse kennen, war die Gruppenunterweisung relativ effizient. Sie wurde in der Regel durch Formulierungen folgender Art eingeleitet: „Wir haben jetzt genau 30 Minuten Zeit, in denen ich euch folgendes schwierige Thema erklären kann.“


Für Klassengespräche stehen zwei Arbeitsformen zur Verfügung:

„Außenkreis“: Die Kinder setzen sich mit ihren Stühlen an die Außenseiten des Raumes.
„Innenkreis“: Die Tischgruppen zwei und drei werden nach außen geschoben und die Kinder versammeln in dem frei werdenden Raum auf dem Fußboden.
    

Bei Mitteilungen oder Instruktionen des Lehrers an die gesamte Klasse steht der Lehrer immer und nur dann vor der Tafel, nachdem diese Phase zuvor mit einem Ruhezeichen eingeläutet wurde.

Lernen braucht Bewegung und schöpferische Pausen.
Zusätzlich zu den zwei Hofpausen bietet der Lehrer den Kindern kurze „frische - Luft - Pausen“ an, in denen er mit den Kindern, die dieses Angebot brauchen, kurze Bewegungspausen auf dem Spielgelände des Schulhofes  durchführt.  Inzwischen ist es oft so, dass einzelne Kinder lieber ihre aktuelle Aktivität fortsetzen wollen und auf dieses Bewegungsangebot verzichten. In diesem Fall wird eines der Kinder, die im Klassenraum bleiben wollen, zum „Chef“ erklärt, der über die Einhaltung der Klassenregeln wacht. Sollten dabei Konflikte entstehen, die vom „Chef“ nicht gelöst werden können, hat er/sie die Aufgabe, den Lehrer zu benachrichtigen.
Für den Gang durch das Treppenhaus gilt „Sprechverbot“, um die Kinder der anderen Klassen nicht zu stören.

Material
  

Bei der Anschaffung, der Erstellung und der Bereitstellung des Materials galt die Maxime, möglichst bald eine Grundversorgung in den Fächern Sprache und Mathematik für die Jahrgänge eins bis vier durch bereitgestelltes Freiarbeitsmaterial sicherstellen zu können. Diese Ziel ist mit dem Schuljahr 2004/05 annähernd erreicht.
Wie zuvor erwähnt, erfährt das Montessoriprinzip der Wahlfreiheit in dieser Klasse eine Einschränkung durch die Existenz des Wochenplanes. Diese Wochenpläne führen die Kinder stufenweise durch das Freiarbeitsmaterial, d.h., die Kinder werden wöchentlich durch verbindliche Aufgaben, die mit und durch das Material gelöst werden, verpflichtet, sich mit den gestellten Aufgaben und den „Tücken“ des Materials auseinander zu setzen. Die gestellten Aufgaben folgen dabei einer grundschulüblichen Progression vom Leichten zum Schweren, also z.B. vom „Anlaut abhören“ zum „Textverständnis“.
Durch „Leerstellen“ in den Wochenplänen und durch zur Verfügung stehende Zeit haben die Kinder aber darüber hinaus die Möglichkeit,  ihre kognitive Entwicklung diskontinuierlich zu durchlaufen. Es steht also z.B. jedem Erstklässler frei, sich in den Freiarbeitsphasen mit der Eroberung des Zahlenraumes über tausend zu beschäftigen, wie es auch jedem Viertklässler frei steht, sich auch motorischen Übungen zum Schleifen binden oder zur vereinfachten Ausgangsschrift zuzuwenden.
  

Der Einsatz des Freiarbeitsmaterials verfolgt zwei Ziele:
Eine Lösung des praktischen, alltäglichen Problems der Kinder, dass der Lehrer nicht jederzeit für alle und jeden einzelnen bereit steht.
Diese „Notlösung“ wird zum Prinzip erklärt und sie soll die Kinder und ihren Lernzuwachs unabhängig von der Person des Lehrers machen. Der Lehrer ist nicht allein der Schlüssel zum Verstehen der Welt. Kinder dürfen auch über andere Kanäle lernen, ja, sie werden ausdrücklich dazu aufgefordert.

1.        Sprachmaterial:

Alles Sprachmaterial, das in dem Klassenraum deponiert ist, also auch Listen, Arbeitsaufträge etc., folgt einer einheitlichen Formatierung: Der Schrifttyp ist „Norddruck“ und alle Diphthonge und alle mehrteiligen Grapheme („Phonogramme“ i.S. Montessoris) haben jeweils eigene Farben. (Auto, nein, Schule, …)
  


Die Zuordnung des Sprachmaterials zu einzelnen Teilbereichen aus dem Fach Deutsch ist nicht immer eindeutig, da es durchaus Material gibt, dass sowohl dem Bereich weiterführendes Lesen wie auch dem Bereich Grammatik/Reflexion über Sprache zugeordnet werden kann, bzw. Lernprozesse in beiden Feldern ermöglicht.


1.1.        Materialien zum Erstlesen und Schreiblernprozess:

1.1.1.        „Erstlesedosen“


Hierbei handelt es sich um Dosen, in denen Buchstabenkarten, Silbenkarten, Wortkarten in gedruckter, laminierter Form aufbewahrt sind. Sie müssen erlesen werden, können – etwa bei Silben – kombiniert erlesen werden und können gepaart werden – Gleiches zu Gleichen oder Großbuchstaben zu Kleinbuchstaben.

1.1.2.        „Thematische Lesedosen“

In diese Untergruppe fallen Lesedosen, in denen Wörter zu erlesen sind, die über phonologisch/graphemische Gemeinsamkeiten verfügen,
wie etwa Diphthonge, Auslaut – e, Auslaut – er ….

1.1.3.        Material zur Lautsynthese und zum Erlernen der graphischen Gestalt eines Buchstabens:


1.1.3.1.        Sandpapierbuchstaben
1.1.3.2.        Holzbuchstaben (= Fühlbuchstaben)
1.1.3.3.        „Lesemaschine“ (Lautsynthese durch linearen, motorisch unterstützten Einsatz der Sandpapierbuchstaben)
1.1.3.4.        Anlauttabelle


1.1.3.5.        Bild-Anlaut-Kartei
(enthält auch komplexe Anlaute, wie Konsonantencluster („br“, „bl“, „fl“)) mit Lösungsfolien

1.1.3.6.        Sandtabletts zum Schreiben der Buchstaben und Ziffern


1.1.3.7.        „Kunterbunt Übungsheft Druckschrift“ für alle Lese-Schreibanfänger


1.1.3.8.        Klassische Montessori-Lesedosen: Zuordnung: Objekt – Wort
1.1.3.9.        Einschlägige LÜK - Hefte
1.1.3.10.        Einschlägige Erstlese- und Schreibübungen aus den Softwareprogrammen „Lernwerkstatt“, „Schreiblabor“, „Budenberg“


1.2.        Material zum verstehenden, weiterführenden Lesen

(Zu allen hier aufgeführten Übungen stehen in der Klasse Lösungsfolien zur Verfügung):

1.2.1.        Bild-Wort-Karten  
1.2.2.        Bild-Satz-Karten (Eine Abbildung zu der einer von drei möglichen Sätzen zugeordnet werden muss)
1.2.3.        Rätsel
1.2.4.        Aufgabenkarten („action-Karten“)
1.2.5.        Lesekarten „1, 2 oder 3“ ( Zuordnung von Hauptsätzen zu eingebetteten Nebensätzen)

1.3.        Material zur Reflexion über Sprache
(und auch zum weiterführenden Lesen, s.o.)

1.3.1.        „Satzdominos“
(auf Holzquadern aufgeklebte Wörter eines einfachen/komplexen Satzes, die in der syntaktisch richtigen Weise zusammengelegt und abgeschrieben werden müssen. Diese selbst entwickelte Material bietet den Kindern die Möglichkeit, mit einem gegebenen Satz alle typischen strukturalistischen Analysemethoden eines Satzes wie, Auslassungsprobe, Umstellprobe, Ersetzungsprobe, Weglassprobe auf kindgemäße Weise durchzuführen.)

1.3.2.        „Textdominos“
(Analoges Material zu den Satzdominos, nur auf Textebene, d.h., die einzelnen Elemente eines sets sind keine Wörter sondern Sätze.

1.3.3.        „Lesedosen A“ (  Artikel-Adjektiv-Nomen)<
1.3.4.        „Lesedosen B“ ( Artikel-Nomen-und-Artikel-Nomen)

1.3.5.        „Lesedosen Schneidesätze“
(jeweils drei Sätze sind in sechs Teilsätze zerschnitten worden und müssen wieder zusammengeführt werden; es sind semantische und syntaktische Bildungskriterien möglich)

1.3.6.        Lesedosen „Was zuerst?“
( Jeweils drei Sätze, die einen chronologisch eindeutigen  Vorgang beschreiben, müssen in ihrer richtigen Reihenfolge gelegt/geschrieben werden.)

1.3.7.        Lesedosen „Frage – Antwort“

1.3.8.        Lesedosen „Oberbegriffe“

1.3.9.        „Textpuzzle“
(entsprechen den „Leseübungen für Begriffsbildung“ i.S. Montessoris)

1.4.        Material als Anreiz für Textproduktion

1.4.1.        Klassentagebuch

1.4.2.        „schlimme Karten“
(„Ist es schlimm, wenn man dick ist? … Ja, weil …, nein, weil …)

1.4.3.        Geschichtenhefte

1.5.        Rechtschreiben


Schleichdiktate

Partnerdiktate


(Schul-) Bücher
Alle Kinder verfügen über die entsprechenden Arbeitshefte ihres Jahrganges. Mit dem Schuljahr 2004/05 wurden darüber hinaus auch die entsprechenden Schulbücher für alle Jahrgänge (Lesereise und Zahlenreise) angeschafft. Es steht aber nicht für jedes Kind ein Schulbuch zur Verfügung. Wenn die Kinder Aufgaben aus diesen Büchern bearbeiten, müssen sie dies entweder in der Klasse tun oder sie können die Bücher tageweise ausleihen. Bei der Ausleihe werden sie ausdrücklich dazu ermuntert, sich mit Klassenkameraden zur Bearbeitung der Aufgaben zu verabreden.
Der größten Teil der Bücher, über die die Kinder verfügen können, existiert  jedoch in Form einer Klassenbücherei. Im Schuljahr 2003/04 wurde erstmals mit der Einrichtung einer Klassenbücherei  begonnen mit dem Ziel, diese kontinuierlich aus Mitteln, die das Lehrmittelfreiheitsgesetz bereitstellt und aus anderen Mitteln aufzustocken.
Bei der Auswahl der Bücher wurde versucht, ein möglichst breites Spektrum an Literatur bereit zu stellen. Das Spektrum reicht von textfreien Bilderbüchern über Sachbücher bis zu „anspruchsvollen“ und „leseaufwendigen“ Büchern wie „Die Kinderuni“ oder „Harry Potter Romanen“.

Passend zu der Klassenbücherei existiert eine Kartei: „Buchaufgaben“.  Sie besteht aus Leseaufträgen unterschiedlichsten Umfangs, die durch Zugriff auf eines der Bücher und gezielte Informationssuche gelöst werden müssen.